Forschergruppe "Sprachvariation als kommunikative Praxis"
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IDS - Pragmatik
Teilprojekt
Jugendkulturelle mediale Stile
Stilbildung und Variationspraxis in der medialen und unmittelbaren Kommunikation von jugendkulturellen sozialen Welten. 

Leitung: Prof. Dr. Werner Kallmeyer (Mannheim) 
Mitarbeiter Dr. Jannis Androutsopoulos (Mannheim) 
Mitarbeiterverzeichnis
Institut für deutsche Sprache Mannheim

Texte aus dem Projekt
 

Gegenstand und Zielsetzungen
Das Teilprojekt untersucht kommunikative soziale Stile und Stilbildungsprozesse in der medialen und unmittelbaren Kommunikation von jugendkulturellen sozialen Welten. 

Untersucht werden Medien und soziale Netzwerke aus drei ähnlich gelagerten, aber aufgrund prototypischer Eigenschaften gut voneinander abgrenzbaren Jugendkulturen: HipHop, House / Techno und Punk / Hardcore. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der HipHop-Kultur, die anderen Kulturen werden zu Vergleichszwecken herangezogen. Empirische Grundlage sind sowohl Medienprodukte als auch die Beobachtung von Produzenten- und Rezipientennetzwerken aus den ausgewählten Jugendkulturen.

Als theoretischer und analytischer Ausgangspunkt dient das Konzept des kommunikativen sozialen Stils [vgl. Teilprojekt Kallmeyer / Keim]. Dieser Ansatz, der für unmittelbare sprachliche Interaktion entwickelt wurde, soll hier auf die Analyse von Medienprodukten übertragen werden. Dabei werden neben textuellen Phänomenen auch akustische und optische Komponenten wie Textmuster, Layout und Emblematik berücksichtigt. Auch die face-to-face Kommunikation in jugendkulturellen Fangruppen wird als kommunikativer sozialer Stil erfasst.

Im Einzelnen sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden:

  • Welche medialen Ausdrucksformen sind stilrelevant und wie sind sie systematisch in die Stilanalyse einzubeziehen? 
  • Wie verhalten sich jugendkulturelle mediale Stilmerkmale zu allgemeineren Eigenschaften der Medienkommunikation? 
  • Welche Produktions- und Rezeptionspraktiken sind für jugendkulturelle soziale Welten gekennzeichnend? 
  • Wie sind mediale Stile mit den sozialen Stilen der face-to-face Kommunikation in jugendkulturellen Gruppen verknüpft?
Korpuserstellung und Analysemethoden
Für jede jugendkulturelle Welt wird ein Korpus aus geschriebenen und gesprochenen Medientextsorten zusammengestellt. Bei den Printmedien sind je eine kommerzielle und eine weniger kommerzielle Zeitschrift, außerdem Werbetextsorten und tonträgerbegleitende Texte vorgesehen. Bei den Hör- und audiovisuellen Medien wird je eine (Musik-)Sendung ausgewählt, bei den Neuen Medien je eine große (kommerzielle) und eine kleinere (auch private) Webseite.

Die Beobachtung der Produzenten- und Rezipientennetzwerke konzentriert sich auf die berufliche Kommunikation der Produzenten sowie die informelle Kommunikation beider Gruppen. 

Schwerpunkte bei den Rezipientennetzwerken sind die Kommunikation während des Kulturkonsums (lesen, hören, sehen), der Austausch über kulturspezifische Sachverhalte (z.B. Musikbewertungen) sowie der Einfluß medialer Stilmittel auf die sprachlich-kommunikative Praxis. 

Die Produzentennetzwerke sollen einen möglichst hohen Status in der betreffenden Szene haben und können in verschiedenen Städten der Bundesrepublik ansässig sein. Rezipientennetzwerke (Gruppen engagierter Fans) werden über Anzeigen in Szenemedien bzw. über persönliche Kontakte rekrutiert und sollen vorzugsweise aus der Rhein-Neckar-Region stammen.

Insgesamt werden unterschiedliche Methoden angewendet: (i)  textlinguistische und gesprächsanalytische Verfahren; (ii) semiotische Analyse von Layout und Text-Bild-Beziehungen; (iii) ethnographische Beobachtung und Analyse (teilnehmende Beobachtung mit Protokoll, Interviews, teilweise auch Gesprächsaufnahmen). 

Arbeitsphasen

1. Vergleichende Stilbeschreibung 
An Ausschnitten aus den Mediennetzwerken der drei Jugendkulturen werden szenespezifische Stilausprägungen, jugendkulturelle Stilmerkmale und allgemeine Eigenschaften der Medienkommunikation unterschieden und in Beziehung gesetzt. Das Analyseprogramm umfasst 

– szenespezifische Schlüsselthemen, 
– die Ausdrucksformen sozialer Kategorisierung, 
– formelhaftes Sprechen, 
– pragmatische Eigenschaften (Regeln des Sprechens) 
– Sprachvariation im engeneren Sinne (konzeptionelle Mündlichkeit, regio- und soziolektale Phänomene, Fremdsprachigkeit)
– nonverbale Ausdruckmittel (Layout, Emblematik, Text-Bild- Relationen).

2. Ethnografie der Medienproduktion und -rezeption 
Die bei der Produktanalyse erkennbaren thematischen Relevanzen und Stilbildungsprinzipien werden in ihrem Niederschlag in der Produzenten- und Rezipientenkommunikation verfolgt. Beobachtet werden:

– Muster des Medienkonsums und ihr Zusammenhang mit den kulturellen Präferenzen einer Fangruppe;

– die Rückkopplung zwischen Medienproduzenten und der Fangemeinschaft; die Beschaffung, Selektion und Bearbeitung von Information durch die Produzenten und die Kontaktpflege mit der Fan-Basis;

– der Stellenwert von Medientexten als diskursive Ressourcen und Mittel soziokultureller Positionierung in der Fankommunikation: Formen der Bezugnahme und Bewertung auf mediale Sprechstile, u.a. durch Zitieren, Karikieren und Kategorisieren, Integration in die eigenen Ausdrucksformen, Umformung und spielerische Weiterentwicklung; 

– Einstellungen von Produzenten und Rezipienen zu jugendkulturellen Schlüsselthemen (z.B. Veränderungs- und Kommerzialisierungsprozesse), zu aktuellen szenespezifischen Medien, Künstlern und Sprechstilen.


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Institut für deutsche Sprache Mannheim Institut für Deutsche Sprache, Mannheim
Verantwortlicher: Dr. Jannis Androutsopoulos [e-mail]
Letzte Änderung: 05. Februar 2001