Teilprojekt
Sprachvariation
Deutsch-Türkisch
Deutsch-türkische Sprachvariation
und die Herausbildung kommunikativer Stile in dominant türkischen Migrantengruppen
Leitung: |
Prof. Dr. Werner Kallmeyer (Mannheim)
PD Dr. Inken Keim (Mannheim) |
Mitarbeiter: |
Sema Aslan
Ibrahim Cindark |
Mitarbeiterverzeichnis
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Gegenstand und Ziele
Das Forschungsinteresse richtet sich auf Mehrsprachigkeitsverhältnisse
in multi-ethnischen Situationen innerhalb städtischer Lebensräume
in Deutschland.
Ziel des Projekts ist die Beschreibung kommunikativer sozialer
Stile in unterschiedlichen Migrantengruppen, die Modellierung von Stilbildungsprozessen
und die Analyse der Rolle markanter Stilzüge in der Auseinandersetzung
um materielle und symbolische Ressourcen im Rahmen von öffentlichen
kulturellen und politischen Arenen.
Mit unserem Konzept des kommunikativen sozialen Stils knüpfen
wir an Ansätze zur linguistischen Stilistik an, an die Ethnographie der
Kommunikation, die auf die Untersuchung von kulturellen Stilen ausgerichtet
ist, an den makrostrukturell- kultursoziologischen Ansatz Bourdieus zur
stilistischen Differenzierung in der hierarchisch geschichteten Gesellschaft
und an die Aushandlungstheorie der sozialen Ordnung in der Nachfolge des
symbolischen Interaktionismus. Die Ausprägung von Stil schafft Identitätssymbole,
über die auch die Positionierung von Angehörigen eines Milieus/
einer Gruppe in einen die Gruppe übergreifenden gesellschaftlichen
Rahmen möglich wird. Sozialer Stil bildet das Kapital (im Sinne Bourdieus)
für die politische und kulturelle Auseinandersetzung mit anderen Gruppen
und Milieus. Über die Außenwahrnehmung des Auftretens von Gruppen
bzw. ihrer Vertreter im gesellschaftlichen Raum eröffnen sich Einflußmöglichkeiten
von Gruppenstilen auf die gesamtgesellschaftliche Stil- und Sprachentwicklung.
Das Projekt wird in Mannheim durchgeführt. Untersucht
werden jugendliche Migrantengruppen:
(a) Zwei typische Jugendgruppen aus den Ausländerstadtteilen Mannheims,
kulturell gemischt (wobei der Anteil von Mitgliedern türkischer Herkunft
dominiert); die soziale Orientierung der Jugendlichen ist auf das Leben
und die Migrantengesellschaft im Stadtteil ausgerichtet. In multiethnischen
Gruppen ist die Verkehrssprache ein reduziertes Deutsch mit besonderen prosodischen,
phonetischen und lexikalischen Eigenschaften. Diese Sprachform wird auch von
deutschen Jugendlichen verwendet. Jugendliche türkischer Herkunft sprechen
untereinander bevorzugt eine deutsch-türkische Mischsprache.
(b) Zwei studentisch-akademische Gruppen, die bundesweit
bzw. international orientiert und vernetzt sind. Die Mitglieder der einen
Gruppe, migranten-politisch engagiert, verstehen sich als „Inländer nicht-deutscher
Herkunft“, zu deren prägender Sozialisationserfahrung Ausgrenzungs-
und Diskriminierungserlebnisse gehören. Die dominante Sprache ist Standarddeutsch.
Die Mitglieder der anderen Gruppe verstehen sich als „akademisch gebildete,
in Deutschland sozialisierte Türken“ mit einer starken Orientierung
am Standarttürkischen. Das Ziel der Gruppe ist es, über
eine internationale Vernetzung Zugang zu gehobenen beruflichen Positionen
zu erhalten. Die Mitglieder beider Gruppen streben eine Kompetenz in beiden
Sprachen an und achten auf Sprachentrennung.
Viele Mitglieder der ausgewählten Jugendgruppen kommen aus Gastarbeiterfamilien,
gehören zur 2./3. Migrantengeneration und sind im wesentlichen in Deutschland
sozialisiert. Die Gruppen unterscheiden sich in ihren Lebensbedingungen und
-erfahrungen und in ihren Leitorientierungen. Nach ersten Beobachtungen unterscheiden
sie sich auch ganz erheblich in ihren kommunikativen Stilen.
Die Datenerhebung erfolgt durch teilnehmende Beobachtung mit
Gesprächsaufnahmen und ethnographischen Interviews; die Daten werden
mit gesprächsanalytischen und linguistischen Methoden analysiert. Bei
der Untersuchung aller Gruppen interessiert uns die Selbstwahrnehmung und
Selbsteinordnung in das gesellschaftliche Gefüge und die Wahnehmung anderer
relevanter Gruppen. Von Interesse ist außerdem, wie die ausgewählten
Gruppen durch signifikante Andere wahrgenommen werden und wie sie auf diese
Wahrnehmungen reagieren.
Das theoretische Interesse des Projekts richtet sich auf:
– die Struktur von Sprachbildungsprozessen (Mischsprachen, sprachliche Verbindungen
und Neubildungen, Sprachentrennung)
– Stilbildungsprozesse (Prinzipien der Stilbildung; Herausbildung
von Stilen bei der Bewältigung bestimmter kommunikativer Aufgaben; Einbindung
soziokultureller Symbole)
– soziale Verbreitungsprozesse; Wirkung und Auswirkung von
markanten Stilzügen und Kommunikationsweisen auf die Gesamtgesellschaft
in Auseinandersetzung mit Bourdieu und der Aushandlungtheorie des symbolischen
Interaktionismus.
- Publikationen aus dem Projekt
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Kontakt
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Institut für Deutsche Sprache, Mannheim
Verantwortlicher: Dr. Jannis Androutsopoulos
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Letzte Änderung: 20. Juni 2008 |
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